• „Kunst ist freier Fall.“ Interview mit Gonn Mosny, 23. Juli 2014, Berlin

    Dr. Frederik Schikowski, Kunsthistoriker, Berlin

    Frederik Schikowski: Herr Mosny, beschreiben Sie doch bitte einmal ihre Arbeitsweise. Soweit ich weiß, stellen Sie sich ja nicht einfach vor eine Leinwand und fangen spontan an zu malen. Vielmehr gibt es einen ganzen vorbereitenden Prozess.

    Gonn Mosny: Ja, ich habe eine Tradition von Willi Baumeisters Schule, bei dem ich an der Stuttgarter Akademie für bildende Künste studiert hatte. Ich verwirkliche, was er uns beigebracht hat. Baumeister war ein großartiger Lehrer und Philosoph, der uns die Zen-Lehre geschenkt hat. Er hat uns das Vokabular gegeben und die geistige Ebene, von der ich heute noch zehre. Alles was ich mache, geht aus dieser Zen-Lehre hervor. Das zielgerichtete Vorgehen mit dem Willen funktioniert nicht. Es geht vielmehr um ein zielloses Zielen: Es geschieht. Dieser japanische Zen-Buddhismus hatte für uns tatsächlich eine Führungsfunktion. Es hört sich für den Laien unverständlich an, aber man lässt malen: Es malt. Und dafür muss man diese Offenheit haben, und das habe ich während meiner ganzen Lehrjahre trainiert. Die Vorgehensweise ist, kein Ziel zu haben. Keinerlei Gedanken zu haben, dass das Bild werden muss, sondern sich frei machen. Sich auch von der Materie und der Materie „Bild“ freimachen, also auch von der Leinwand und allem, was dazugehört. Sich einfach sagen: „Es darf Nichts werden, es muss Nichts werden. Ich bin glücklich mit dem Nicht-Werden“. Man ist sozusagen Außenseiter und beobachtet das, was geschieht. All das ist sehr abstrakt, das weiß ich. Viele nehmen das ja auch nicht ernst, da wird man belacht. Das stört mich aber überhaupt nicht. Ich habe die Praxis, dass es so ist. Auch heute noch, wenn ich male.

    F. S.: Wie sieht das ganze denn konkret aus? Meditieren Sie also, bevor Sie mit dem Malen beginnen?

    G. M.: Das Meditieren ist kein äußeres Meditieren. Eher ziehe ich mich schon während des Tagesablaufs zurück. Immer wieder wird ein Freiwerden geübt, ein Entleeren seines Willens – das ist ein ganz harter Prozess. Das kann sogar bei ganz alltäglichen Sachen passieren.
    Wenn ich eine weiße Leinwand vor mir habe dann scheue ich nicht vor der. Dieser Umgang mit dem Nichts – das ist der Kern. Manch einer zittert vor einer weißen Leinwand, weil er denkt, er müsse ein Ziel haben. Natürlich hat eine Leinwand Sog und sagt „Tu doch was, mach was!“ Es tut sich ja was. Meine Erfahrung ist: Wenn ich abends oder nachts nach dem Malen ratlos ins Bett gehe und denke, dass gerade überhaupt nichts passiert ist und dann morgens in mein Atelier gehe, dann können Sie sehen, dass alles passiert ist, was passieren konnte. Dann bin ich verrückt vor Freude, dass da doch was an Qualitäten passiert ist. Sehr oft gehe ich traurig von meiner Malerei weg, weil ich merke, dass da was falsch gelaufen ist. Und dann sehe ich später, dass es gar nicht falsch gelaufen ist, sondern genau umgekehrt. Ich konnte es bloß nicht erkennen, weil ich in dem Moment vernebelt war.

    F. S.: Neben skripturalen Zeichen oder Formen, die gegenständliche Interpretationen erlauben, sind Ihre Bilder ja vorwiegend ungegenständlich, dabei sehr sinnlich. Mir ist klar, dass Sie sich nicht bewusst vornehmen, ein bestimmtes Motiv zu malen. Aber dennoch frage ich mich, wie Sie zu all diesen Motiven kommen?

    G. M.: Sobald ich spüre, dass mich etwas zu sehr zielgerichtet in eine Richtung lenkt, dann versuche ich, das zu reduzieren. Wenn ich merke, dass sich etwa Sexualität in den Vordergrund drängt, dann fängt es gleich mit einer Gegenbewegung an. Gleiches gilt, wenn eine Sache anmutig oder emotional zu schön wird. Ich hatte gerade ein paar Sachen gemalt, die waren zu schön, das habe ich dann abgebrochen. Ich versuche immer wieder, das auf die Herbheit zu bringen. Das ist eine bewusste Aktion, das ist logisch. Aber das betrifft ja das Rückwärtsgehen, also die Reduktion, wenn ich etwas übermale oder Farbe wieder abtrage. Ich nehme es auch nur dann zurück, wenn ich entdecke, dass es geschult ist und auf etwas zielt. Aber beim Vorwärtsschreiten ist es ein offener Raum. Kunst ist freier Fall.

    F. S.: Würden Sie sagen, dass das, was Sie auf der Leinwand oder dem Papier visualisieren, etwas Individuell-Unbewusstes aus Ihrem aktuellen Leben ist? Oder stammt es aus einem kollektiven Unterbewusstsein der Menschheit und ist geradezu archaisch?

    G. M.: Ich glaube, dass ich mich beim Malen im prä-intellektuellen Bereich befinde, wo noch nichts ins Bewusstsein eingedrungen ist – nicht zu verwechseln mit Naiver Malerei. Das ist ja eine ganz komplizierte Geschichte. Selbst die Wissenschaft weiß viel zu wenig darüber, was in uns eigentlich bei der Intuition passiert. Sofort, wenn der Wille reinkommt, versuche ich zumindest, das Bewusstsein zu begrenzen und das Unbewusste aufrecht zu erhalten, denn sonst wird es platt. Vielleicht könnte man es mit einem gewissen Schwebe-Zustand zwischen beiden Zonen beschreiben, in dem man sich befindet.

    F. S.: Und Ihre Motive kommen also aus diesem prä-intellektuellen Bereich?

    G. M.: Ja. Ich nehme mir vor, in meiner Vorgeschichte oder dem, was noch nicht ist, zu bleiben. Der Antrieb ist die Neugierde und nichts anderes. Ich habe das Gefühl, dass hinter jeder weißen Leinwand etwas sein könnte, was ich noch nicht weiß. Es ist der weiße Vorhang, den ich gerne aufziehen möchte, aber mir sind die Hände gebunden. Banal gesprochen: Es ist so wie früher vor Weihnachten, wenn noch die Tür verschlossen war und man durch das Schlüsselloch geblinzelt hat, aber nicht wusste, was sich dahinter aufbaute.
    Die Motive selbst entstehen oft zu meiner eigenen Überraschung. Ich habe neulich etwas gemalt, eine Art von Elefant. Vielleicht war es auch eine Wildsau, ich kann es gar nicht sagen, er hat so viele Prozesse durchgemacht. Das entscheidende aber war, dass es kein Elefant war, der aus dem Gegenständlichen kommt, sondern es war ein Elefant, der etwas mit Höhlenmalerei zu tun hatte. Und ich lachte nur darüber und fragte: „Wie kommst Du denn hierhin?“ Aber das entscheidende ist, dass dieser Elefant eine Transparenz hat. Dass er eine Struktur hat, als wäre er aus Glas. Er entleert sich der Gegenständlichkeit.

    F. S.: Aber ist es in dem Moment selbst für Sie auch ein Elefant? Oder malen Sie einfach und hinterher fällt ihnen auf, dass das ja wie ein Elefant aussieht?

    G. M.: Es ist so, dass es kein vorgefasstes Motiv ist. Sondern in dem Prozess des Malens entstehen Dinge, die ich entweder auslösche oder stehenlasse, wenn ich sehe, dass da etwas passiert. Es ist ein Selektieren. Wenn aber etwas wegkommt, ist der Neubeginn wieder ganz schwierig. Da muss man wieder von ganz unten anfangen. Man kann Kunst nicht korrigieren. Ich kann es nur wieder vollkommen leer machen.
    Ich begegnete mal einer jungen, netten Kunsthistorikerin, die gleich mit diesen typischen Fragen begann: „Warum haben Sie das so gemalt? Was sehen Sie auf dem Bild? Was haben Sie sich dabei gedacht?“. Da dachte ich nur „Das darf doch nicht wahr sein.“ Weil der Vorgang unerklärbar ist. Kunst ist Metaphysik. Den wirklichen Hintergrund kann man nicht analysieren. Er ist da und er ist nicht da. Kunst ist dann Kunst, wenn man intuitiv gepackt wird. Wenn man etwas nicht begreift und angezogen wird. Wenn es so tief geht, dass es unfassbar ist. Die Malerei hat natürlich dieses große freie Feld der Spontanität mit zu verarbeiten, was bei der Bildhauerei nicht ganz so der Fall ist, weil sie ein sehr träger Vorgang ist.

    F. S.: Aber Sie haben doch selber auch Skulpturen gemacht?

    G. M.: Ja, ich habe in Gordes in der Provence, wo ich zwölf Jahre ein Atelier hatte, an die 140 Skulpturen gemacht. Und zwar aus den Produkten, die ich draußen um mein Atelier herum fand: Steine und altes Holz von verfallenen Häusern aus der Gegend. Ich brauchte praktisch nur zehn Schritte vor das Atelier zu gehen, dann hatte ich einen Kopf oder das, was ich brauchte. Das habe ich dann zu Figuren zusammenmontiert.

    F. S.: Mich wundert, dass Sie ungegenständlich malen, aber in Ihren Skulpturen Fundstücke zu menschlichen Figuren arrangieren. Könnte man sie nicht auch einfach als das auffassen, was sie sind – also als Holzbalken mit Steinen?

    G. M.: Da muss ich eine kleine Story zu erzählen. Meine Frau kam immer mal wieder von Stuttgart zu mir nach Gordes zu Besuch. Und einmal sagte sie zu mir: „Sag mal, weshalb machst Du eigentlich gar keine Skulptur?“ Sie hat mich so richtig abgefragt. Und da habe ich mich plötzlich über ihre Frage geärgert. Und so ging ich zwei Schritte vor das Atelier raus, nahm den ersten Stein, den ich sah, setzte ihn oben auf einen 1,5 m großen Balken rauf – und plötzlich waren wir zu dritt!
    Der Prozess des Findens dominierte, mal sieht man einen Toten, mal denkt man, dass da Goethe rumliegt. Jede meiner Figuren hat einen Gesichtsausdruck. Diese Jungs – ich nenne sie immer „Jungs“ – sind mein bildhauerisches Werk. Die sind nach zwei Ausstellungen in Mexiko geblieben. Ich selbst habe heute nur noch einen Kopf. Wenn ich Ihnen den zeige, dann denken Sie, dass der von Menschenhand gemacht ist. Es ist wirklich ein sprechender Kopf mit Profil. Da waren immer Köpfe dabei, die Assoziationen zu kunstgeschichtlichen oder historischen Persönlichkeiten weckten. An sich sind es, banal gesprochen, Ready-Mades. Ich habe sie nur zu etwas neuem arrangiert, ohne weitere Manipulation oder Korrektur. Denn Korrigieren ist eine Gefahr für die Kunst, man spürt die Absicht. Das Absichtsvolle aber ist der Feind der Kunst.

    F. S.: Aber Sie überarbeiten doch selbst immer wieder Ihre Gemälde oder Zeichnungen. Das ist mir nicht so ganz verständlich. Wenn man den Drang hat, etwas zu überarbeiten, ist das denn keine Korrektur? Und ist es dann nicht schon durch den Verstand, den Sie ja während des Malens auszuschalten versuchen, gefiltert worden?

    G. M.: Ja, es ist gefiltert worden. Aber es geht um das Zügeln. Nicht korrigieren, sondern zurücknehmen. Wenn etwas zu viel ist oder zu viel Energie kriegt, die das Material gar nicht aushält.
    Ich habe jetzt gerade so ein Gemälde vor mir, das ich abspannen lasse. Es passiert, dass man sich sagt, dass etwas wirklich nicht gut war. Man möchte ja den geistigen Raum um sich saubermachen. Das ist die Motivation. Und ich bin auch sehr selbstkritisch und jubele nicht immer. Ich kann auch sehr in die Knie gehen, da ist viel Verzweiflung drin. Aber ich weiß immer, dass die Lösung das Umgehen mit dem Nichts ist. Dass man sich total davon löst, dass es ein wertvolles, gutes Bild werden soll, das vielleicht Geschichte macht.
    Es würde mich – nehmen Sie es bitte nicht zu ernst – nicht stören, wenn ich alles, was ich jemals in der Malerei gemacht habe, verbrennen würde, so dass es verschwinden würde. Das totale Loslassen ­– so weit bin ich heute.

    F. S.: Da stellt sich mir die Frage, für wen Sie eigentlich arbeiten? Ist Ihre Malerei eher eine Art Tagebuch, die Sie nur für sich selber betreiben? Ich sage bewusst Tagebuch, weil Ihre Bilder ja nur mit dem Tagesdatum betitelt sind und natürlich auch Ihre individuellen Tageserlebnisse spiegel­n. Einige Menschen haben aber beim Tagebuch-Schreiben auch schon die Nachwelt im Kopf, die es finden und lesen wird. Und dann gibt es ja ebenso bewusst für die Öffentlichkeit produzierte literarische Tagebücher.

    G. M.: Das ist eine Kernfrage. Ich arbeite nicht für die Nachwelt und nicht für materielle Güter, das brauche ich nicht. Es hängt auch mit dem Zen zusammen. Ich arbeite nur für die Freude, dass da etwas passiert ist, was ich eigentlich gar nicht gemacht habe. Der Glücksmoment, der auch wieder vergehen kann, wenn ich nachher feststelle, dass etwas doch nicht so auf der Linie ist, wie ich es eigentlich machen wollte. Und wenn Sie mich nach dem Ziel fragen: das Ziel ist das Glücklich sein selber. Oder wenn Freunde sagen, dass das ein tolles Bild ist. Das ist mein Lohn. Und dass ich selber Freude daran habe an dem, was da ist. Was nach mir passiert – wer weiß das schon?

    F. S.: Was ist denn das Charakteristische Ihrer aktuellen Arbeiten im Unterschied zu jenen Gemälden und Zeichnungen aus Gordes?

    G. M.: Ich bin im Augenblickt voll hinter der Leinwand her und zeichne eher weniger. Ich arbeite ein wenig gebremster, mit ganz sparsamen Mitteln – auch von der Farbskala her – und lasse sehr viel von der weißen Grundierung stehen. Das ist schon der Unterschied zu Gordes. Und dass ich transparenter geworden bin und häufiger Gegenstände reinnehme. Es tauchen mehr Figuren auf, während ich mich früher immer als rein abstrakten Maler verstanden habe. Es ist zum Beispiel neulich passiert, dass etwas, das Vladimir Putin ähnelte, plötzlich zeichnerisch auftauchte. So etwas gibt es schon. Ich bin nicht unberührt vom Weltgeschehen.

    F. S.: Mögen Sie mir nun etwas zum Herstellungsverfahren erzählen? Wie kann ich mir die Produktion Ihrer Bilder vorstellen?

    G. M.: Ich arbeite auf einer großen Holzwand, die ich schon in Gordes gebrauchte. Sie ist 4 m lang und 2,10 m hoch. Die kann ich rauf und runter drehen, so dass ich nicht auf Knien rutschen muss. Die Höhe der Wand leitet sich aus dem gegebenen Format meiner belgischen Leinwandrollen ab. Das ist eine ganz feine Porträt-Leinwand, auf der ich auch mit dem Bleistift zeichnen kann. Weil die Leinwand auf diesem festen Holzuntergrund montiert ist, kann ich aber auch sehr grob werden. Nie male ich auf Leinwand, die auf einem Keilrahmen aufgespannt ist, da vibriert der Stoff zu sehr. Es muss fest sein und Widerstand geben, wenn ich zum Beispiel etwas mit einer Ziehklinge wieder abrakel, für den Fall dass ich in eine Sackgasse geraten bin. Ich kämpfe mit der Leinwand.
    Die Maße der Leinwandrollen erklären auch die Großformate, diese 2 m Höhe meiner Bilder. Ich sehe nicht ein, eine schöne Leinwand zu zerschneiden und Reststücke wegzuwerfen, nur um ein Phantasieprodukt – das Format – herzustellen. Bei Papier ist es leichter, aber selbst damit arbeite ich solange, wie es das Papier aushält. Ein früherer Galerist sagte mir mal, dass meine Bilder zu groß seien und sich deshalb nicht verkaufen ließen. Das war mir aber egal. Ich variiere meine Formate nur dadurch, dass ich die Breiten verändere. Da habe ich eine ganze Skala von Möglichkeiten. Ich hänge auch an diesem großen Format, von kleinen Formaten halte ich nichts. Vielleicht hat es etwas mit Le Corbusiers „Modulor“ zu tun und mit der Frage, wie groß der Mensch ist. Die Bilder sind das Gegenüber, der Spiegel des Menschen.

    F. S.: Können Sie mir etwas zum Material sagen, mit dem Sie auf der Leinwand oder auf dem Papier arbeiten?

    G. M.: Früher, von den 1950er Jahren bis in die frühen 80er Jahre, habe ich hauptsächlich architekturgebundene Wandarbeiten gemacht. Da habe ich die Materialien betont und viele unterschiedliche verwendet: Keramik, Beton oder Holz. Heute aber ist das Material reduziert. Ich habe zwar eine riesige Farbskala, die ich ausnutze. Aber ich versuche, mein ganzes Materialspektrum einzuengen, um nicht so sehr zu springen. Ich arbeite mit einem harten, fingerdicken Farbstift in unterschiedlichen Farben, mit dem ich auch Linien malen kann. Dazu kommt die ganze Skala des Bleistifts. Von einem ganz harten, mit dem ich tastend, kaum sichtbar auch auf der Leinwand nur Spuren andeuten kann, bis zu den ganz kräftigen, die es mir ermöglichen, sehr wuchtig, laut und aggressiv zu werden.
    Dem entgegengesetzt: die Malerei mit Ölfarbe als flüssigem Malmittel. Der Farbauftrag ist immer dünn, weil ich meine Leinwände aus praktischen Gründen rollen wollte. Früher habe ich auf so etwas ja schon sehr achten müssen, wenn jemand ein Bild bestellte und es transportiert werden musste. Ich male auch auf Papier mit Ölfarbe, was eigentlich ein Unding ist. Zum Teil arbeite ich mit Sikkativen, damit ich nicht unendlich lange malen kann und mich selber in meiner Beweglichkeit einschränke. Ölfarbe deshalb, weil man mit ihr im Gegensatz zur Acrylfarbe wesentlich freier nuancieren kann. Dazu kommen natürlich noch der Pinsel und die Malerspachtel, mit denen ich Farbe wieder abnehmen, wieder auftragen oder aber überspachteln kann.

    F. S.: Bezüglich dieser Überarbeitungen, die Sie ja manchmal auch noch nach Monaten oder Jahren vornehmen, frage ich mich aber auch, wann Sie denn wissen, dass ein Bild abgeschlossen ist? Oder ist es eigentlich nie abgeschlossen?

    G. M.: Diese Frage berührt genau das Zentrum. Ich übertreibe jetzt ein wenig, aber ich würde sagen: wenn ich in meinen alten Sessel so richtig reinfalle und denke, dass einfach nichts mehr geht. Man ist einfach ausgeblutet. Wenn ich also erschöpft bin, dann höre ich auf und nicht nach einem System. Es ist etwas sehr metaphysisches. Wenn dieser Überraschungsmoment da ist, dass da etwas passiert ist, ohne dass ich es war: es ist geschehen.

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